Beim Dolmetschen den guten Ton zu treffen, ist sehr wichtig, aber mindestens genauso wichtig ist es, einen qualitativ guten Ton auf unsere Ohren zu bekommen: das gilt sowohl bei Präsenzveranstaltungen als auch und vor allem beim Ferndolmetschen (Remote Simultaneous Interpreting, kurz RSI).

Was ist das Problem bei RSI?
Gerade bei den modernen Plattformen wird, wie bei der MP3-Technologie, der Ton komprimiert und digital verändert, wodurch nicht die komplette Frequenzbreite zur Verfügung steht. Dadurch wirkt der Ton auch „flacher“ und das Zuhören wird anstrengender, zumal uns auch oft die visuellen Informationen fehlen, die für eine reibungslose Kommunikation wichtig sind: so kann es vorkommen, dass wir weder die vortragenden Personen noch die Reaktionen der Teilnehmer im Sitzungssaal sehen. Und manchmal nicht einmal die gezeigten Präsentationen.

Warum ist es so wichtig, die sprechenden Personen nicht nur gut zu hören, sondern auch zu sehen?
Wenn Menschen sich austauschen, spielt die sogenannte nonverbale Kommunikation eine wichtige Rolle. Das bedeutet, dass wir die Botschaft mit allen Sinnen wahrnehmen, denn wir registrieren gleichzeitig die Mimik und Gestik der sprechenden Person, sozusagen ihre Körpersprache, die uns dabei hilft, das Gesagte und die Intention dahinter richtig einzuordnen. Wenn wir ausschließlich auf die Informationen angewiesen sind, die über unseren Kopfhörer kommen, steigt dadurch die kognitive Last: wir müssen uns noch mehr konzentrieren und neigen dann dazu, die Lautstärke höher zu regeln, um ja nichts zu verpassen. Dadurch sprechen wir selbst auch lauter, und am Ende eines Arbeitstages fühlen wir uns ausgelaugt. Übrigens ein Phänomen, über das auch die Teilnehmenden von Online-Konferenzen oft berichten: nach nur ein paar Stunden fühlen sie sich erschöpfter als nach einem normalen Präsenz-Meeting.

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Was können wir tun?
Um dem entgegenzuwirken, versuchen wir den Ton gerade so laut zu stellen, dass wir noch imstande sind, uns selbst beim Dolmetschen zu hören. Das schont nicht nur das Gehör, sondern auch die Stimme. Und wenn wir gerade nicht mit Dolmetschen dran sind, setzen wir den Kopfhörer auch mal ab und drehen die Lautstärke noch einmal herunter. Über den in der Konsole integrierten Lautsprecher können wir der Sitzung weiterhin folgen, verringern jedoch auf diese Weise die direkte Belastung für das Gehör.

Müssen wir die Lautstärke ungewöhnlich hoch aufdrehen, könnte dies ein Zeichen dafür sein, dass die Tonqualität zum Dolmetschen nicht ausreicht. Etwa weil die Redner ein nicht ISO-konformes Mikrofon verwenden, ohne Video und in Räumen mit Hintergrundgeräuschen sprechen oder eine instabile Netzverbindung haben. In solchen Fällen kann es vorkommen, dass wir aus Qualitätsgründen die Verdolmetschung abbrechen müssen. Denn der Ton, der im Saal oder bei nur zuhörenden Teilnehmern als gut empfunden wird, ist für uns angesichts der hohen kognitiven Belastung beim Dolmetschen nicht ausreichend.

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Was kann man beim Dolmetschen noch tun?
Ein weiterer Tipp ist es, die Lautstärke systematisch zu verringern, bevor sich ein neuer Redner zu Wort meldet. Sie kann nämlich zwischen den einzelnen Beiträgen sehr stark schwanken, und man hat plötzlich eine sehr laute Stimme im Ohr. Oder es gibt eine Rückkopplung, sobald das Mikro eingeschaltet wird. Oder jemand klopft auf das Mikrofon, um dessen Funktion zu prüfen, was in unseren Ohren wie eine Explosion wirkt. All dies kann zu einem akustischen Schock führen.

Als akustischen Schock bezeichnet man eine starke Muskelkontraktion im Innenohr, verursacht durch plötzliche laute Geräusche oder hochfrequente Töne. Symptome wie Tinnitus, Hyperakusis, Hörverlust, gedämpftes Hören, Kopfschmerzen, Ohrenschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Erschöpfung können auf einen Hörschaden hinweisen und dann ist es ratsam, möglichst am gleichen Tag, spätestens aber innerhalb von 48 Stunden einen HNO- oder Hausarzt aufzusuchen.

In diesem Kontext ist eine Zusammenarbeit mit guten und erfahrenen Konferenztechnikern eine große Hilfe, denn sie sorgen dafür, dass die technischen Einstellungen an die jeweilige Konferenzsituation angepasst sind, und können gegebenenfalls korrektiv eingreifen.

Fazit:
Unsere Umwelt wird immer lauter, und oft merken wir gar nicht, wie sehr uns dies stresst. Doch wir alle können unser Gehör schützen, indem wir sowohl im beruflichen Kontext als auch im Alltag folgende Tipps beachten:

  • Beim Dolmetschen auf gute Technik achten und gute Kopfhörer und Mikrofone verwenden: beide sollten die gesamte Bandbreite zwischen 125 und 15.000 Hz abbilden können.
  • Die eingehende Lautstärke verringern.
  • Dafür sorgen, dass die Teilnehmenden einer Konferenz sich möglichst in einem ruhigen Raum befinden und nicht sich unterwegs oder im Freien befinden, wo es viele Nebengeräusche geben kann.
  • Darauf achten, dass nicht auf das Mikrofon geklopft wird.
  • Außerdem empfiehlt es sich, in regelmäßigen Abständen einen Hörtest beim Hals-Nasen-Ohrenarzt durchführen lassen, um bei einem eventuellen Hörverlust rechtzeitig Maßnahmen ergreifen zu können.

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Und für alle (nicht nur für Dolmetscher!) gilt: den Ohren im Alltag möglichst oft eine Pause gönnen; am besten, indem man laute Umgebungen weitgehend vermeidet und sich so oft wie möglich in der Natur aufhält.

Denn Hörschäden lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Und wir alle möchten doch noch lange das Leben mit allen Sinnen genießen können!