Study-Visit zum Thema „Polizei im Spannungsfeld von Sicherheit und Freiheit“
Die Polizeiarbeit in Coronazeiten birgt ganz besondere Herausforderungen, die auch international wahrgenommen werden.
con:sens hat bei einem internationalen Study-Visit zum Thema „Polizei im Spannungsfeld von Sicherheit und Freiheit“ gedolmetscht und dabei die interne Begeisterung für die wichtige Aufgabe und die Bedeutung von „immer füreinander da sein“ hautnah miterlebt. Die Dolmetscher:innen waren sofort Teil des Teams, wurden geholt und gebracht, bekamen ungefragt eine warme Jacke angeboten. So machte auch intensives und langes Arbeiten richtig Freude.
Mit Franz Semling, Polizeipräsident des Polizeipräsidiums Freiburg, sprechen wir über zukunftsweisende Konzepte zu Versammlungen, Bürgerpolizei, Coronamaßnahmen und grenzüberschreitenden Einsätzen der Polizei.
con:sens:
Das Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit prägt Ihre Arbeit in ganz besonderer Weise. Von der Polizei erwarten wir in unserer Demokratie einerseits, dass sie die Freiheit aller Bürger individuell und kollektiv schützt und andererseits, dass sie für die Einhaltung der Regeln und Pflichten im Zusammenleben der Gesellschaft sorgt. Wie lässt sich das in dieser Pandemiezeit, die sich so unterschiedlich auf jeden Einzelnen auswirkt, vereinbaren?
Antwort:
Grundsätzlich steht die Polizei natürlich in einem Spannungsfeld zwischen einer bürgernahen Polizei und einer solchen, die die gesetzlichen Vorgaben berücksichtigt und oft auch durchsetzen muss. Die Pandemie hat dieses Spannungsfeld noch anspruchsvoller gemacht. Wir treten dieser Problemstellung jedoch mit höchstmöglicher Professionalität unseres Handelns entgegen und setzen auf transparente Kommunikation mit allen Beteiligten.
Gerade mit Blick auf das aktuelle Demonstrationsgeschehen ist die Polizei dazu verpflichtet, die politische Neutralität und den Gleichheitsgrundsatz zu wahren.
con:sens:
Die Aufgabe ist wahrscheinlich nicht zur Zufriedenheit aller zu lösen, leidet das Vertrauen in die Polizei insgesamt darunter? Und wenn ja, was können Sie dagegen tun?
Antwort:
Wenn man dauerhaft in einem solchen Spannungsfeld steht, wird es immer Personen geben, die sich kritisch äußern.
Deshalb ist ein regelmäßiger Austausch auf Augenhöhe, gerade in sich stets verändernden gesellschaftlichen Situationen, zwingend notwendig, um das Vertrauen auf allen Seiten zu stärken und zu erhalten.
Immer wieder, und zuletzt leider häufiger, kommt es aber zu Ereignissen, die zeigen, dass die Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte und auch gegenüber Rettungskräften durch Einzelne weiter zunimmt und neue Dimensionen erreicht. Es gibt immer mehr Menschen, die staatliche Institutionen grundsätzlich ablehnen und eine Uniform als Angriffsfläche wahrnehmen. Der Großteil der Bevölkerung respektiert und schätzt jedoch unsere Arbeit und weiß, dass man sich immer auf die Polizei verlassen kann.
con:sens:
Wenn die Politik entscheidet, dass z.B. ein Fußballspiel in Freiburg mit 35.000 Zuschauern stattfinden darf, bedeutet das für die Polizei in Coronazeiten eine größere Herausforderung? Welche vorbereitenden Maßnahmen treffen Sie generell für einen möglichst störungsfreien Ablauf einer so großen Veranstaltung?
Antwort:
Zunächst haben wir in Freiburg kaum sogenannte Hochrisikospiele. Dennoch kann es bei derart großen Veranstaltungen immer zu Auseinandersetzungen kommen.
Wir bewerten daher jede Spielansetzung neu und planen die Einsatzmaßnahmen nach einer ausführlichen Lagebeurteilung. Diese wird nach der Informationsgewinnung erstellt, welche unter anderem durch den Kontakt zu den Vereinen, der örtlich zuständigen Polizei des Gastvereines und auch der Bundespolizei erfolgt. Zusätzlich stehen wir immer im engen Kontakt zu den Fanvertretern, um mögliches Gefährdungspotenzial frühzeitig kommunikativ zu lösen. Weitere präventive Maßnahmen können Betretungs- und /oder Aufenthaltsverbote für einzelne Aggressoren sein.
Hinsichtlich der Corona-Pandemie orientieren sich die Einsatzkräfte selbstverständlich immer an den rechtlichen Vorgaben der geltenden Corona-Verordnung. Die aktuelle Verordnungslage wird auch bei der Vorbereitung der Einsätze bereits berücksichtigt.
con:sens:
Stellt Sie die Lage des Polizeipräsidiums Freiburg im Dreiländereck dabei vor besondere Herausforderungen und wie gestaltet sich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit?
Antwort:
Das Polizeipräsidium Freiburg ist landesweit das einzige Präsidium, welches über eine EU-Außengrenze zu der Schweiz und eine EU-Binnengrenze zu Frankreich verfügt.
Unsere Zusammenarbeit mit den Nachbarländern Frankreich und Schweiz funktioniert sehr gut. Die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit und der Informationsaustausch werden in den Bereichen Ermittlungen, Fahndung, Technik und Aus- und Fortbildung täglich gelebt, denn Kriminalität findet auch über Staatsgrenzen hinweg statt.
Unsere direkte Zusammenarbeit wird durch das Gemeinsame Zentrum der deutsch-französischen Polizei- und Zollzusammenarbeit in Kehl als gewachsene Institution effektiv ergänzt.
Regelmäßig unterstützen Beamtinnen und Beamte des Polizeipräsidiums Freiburg unsere Kolleginnen und Kollegen in Frankreich und der Schweiz, beispielsweise bei größeren Veranstaltungen, bei denen mit einem hohen Besucheraufkommen aus Deutschland gerechnet wird. Diese Unterstützung erfolgt selbstverständlich auch umgekehrt.
con:sens:
Und zum Abschluss: Welche Erkenntnis, die sich mit Blick auf Ihre Organisation bewährt hat, können Sie uns mitgeben?
Antwort:
Die Befassung des Polizeipräsidiums Freiburg mit seinen eigenen Werten anhand der Kampagne #wirsind und dem damit verbundenen „Blick nach innen“ hat uns gezeigt, dass wir auf einem starken gemeinsamen Wertegerüst stehen, an dem wir unser tägliches Handeln ausrichten.
Der respektvolle und wertschätzende Umgang sowohl zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden aber auch unter den Kolleginnen und Kollegen ist hierbei genauso wichtig wie mit den Bürgerinnen und Bürgern.
Wir sind als Polizei dankbar, ein so hohes Vertrauen in der Bevölkerung zu genießen und arbeiten jeden Tag daran, dass dies so bleibt.
Fotos: Polizeipräsidium Freiburg, Kanan Khasmammadov für Unsplash